Mit ihren 214 PS ist die feurige Ducati Panigale V4 das stärkste Grossserien-Bike aller Zeiten. Erster Rennstreckentest der exklusiven S-Version auf dem GP-Kurs von Valencia.
Zahlen zur Ducati Panigale V4 S
- Motortyp: 90-Grad-V4-Zylinder
- Hubraum: 1’103 ccm
- Max. Leistung: 214 PS bei 13‘000/min
- Max. Drehmoment: 124 Nm bei 10‘000/min
- Gewicht: 195 kg fahrfertig
- Preis Testmotorrad: 29‘990 Franken
- Basispreis: 23‘990 Franken
- Konkurrenten: Aprilia RSV4 RF, BMW S 1000 RR, Honda CBR1000RR Fireblade SP, Kawasaki Ninja ZX-10R SE, Suzuki GSX-R 1000 R, Yamaha YZF-R1M
- Spezifische Infos: 2 Jahre Garantie ohne Kilometerbeschränkung, Inspektion alle 12‘000 km oder 12 Monate,
- Einstellung Ventilspiel: alle 24‘000 km
- Stand: Januar 2018
In Bezug auf das Verkaufsvolumen ist die Ducati Panigale V4 sicher nicht die wichtigste Modellneuheit der Töffsaison 2018. In puncto Emotionalität und technologischer Avantgarde dagegen schon – und zwar mit Abstand. Kommt hinzu, dass die neue Gallionsfigur der Bologneser gleich zwei Tabus bricht: Zum einen rollt die feurige Italienerin mit einem V4-Motor an und nicht mit dem dogmatischen, seit exakt 30 Jahren sämtliche Ducati-Superbikes befeuernden V2. Zum anderen pulverisiert sie mit ihren 214 PS die informelle Leistungsobergrenze von 200 PS, an welche sich die Konstrukteure im Rahmen eines Gentlemen’s Agreements bis dato brav gehalten haben. Ein erneutes PS-Wettrüsten unter den Herstellern ist damit so sicher wie das Amen in der Kirche.
Ein Herz, drei Versionen
Kenner der Marke wissen: der V4-Antrieb ist bei den Roten nicht neu. Tatsächlich setzen sie ihn in der MotoGP-Königsklasse bereits seit 2003 erfolgreich ein. Ein unter anderem durch mehr Hubraum (1’103 statt 1’000 ccm) auf höhere Standfestigkeit und mehr Druck in der Drehzahlmitte ausgelegtes Derivat dieses Wettbewerbs-Reaktors steckt nun in der Panigale V4, die in drei Versionen angeboten wird. Wir testen das bezüglich Fahrwerk hochwertiger ausgestattete S-Modell (29‘990 Franken); daneben gibt es ein Basis-Modell und die super-exklusive, auf 1’500 Einheiten limitierte „Speciale“.
Vollgepackt mit MotoGP-Technik
Aus dem MotoGP übernommen wurden beim Motor etwa die um 42 Grad nach hinten gedrehte Einbaulage, was Platz spart und so den Einsatz einer die Traktion optimierenden, längeren Schwinge ermöglichte. Zudem kompensiert die gegenläufig rotierende Kurbelwelle einen wesentlichen Teil der gyroskopischen Kräfte der Räder, was ein leichteres Handling und eine Reduktion der Wheelie-Neigung herbeiführt. Und beim Elektronikpaket setzt die Panigale V4 klar die neue Benchmark: individuell konfigurierbare Leistungsmodi, Kurven-ABS, Traktions-, Powerslide-, Bremsdrift-, Wheelie-, Launch- und Motorbremskontrolle sowie bidirektionaler Schaltautomat sind Serie. Besitzer des S-Modells dürfen sich zudem über ein adaptives Öhlins-Fahrwerk und leichte Schmiederäder freuen.
Einfacher, effizienter, schneller
Schon mutig von Ducati, uns die Panigale V4 S ausgerechnet auf dem GP-Kurs von Valencia aufzutischen. Denn auf diesem fahrtechnisch sehr anspruchsvollen Pflaster treten jegliche Fahrwerksschwächen sofort gnadenlos zutage. Und gerade in diesem Punkt gibt sich die 195 Kilo leichte und superschlanke Primadonna schlicht beflügelnd: Ihr Handling ist erfrischend luftig; nur schon der Gedanke ans Abwinkeln reicht, und die V4 S wirft sich anstandslos zum Kurvenscheitel, den sie auch stets magistral trifft. Das schont Kräfte, bedingt jedoch ein feines Händchen, sowie koordinierte Bewegungsabläufe. Keine Frage: Die Panigale V4 S, deren adaptives Fahrwerk sehr fein und unmittelbar auf jeglichen Lenkimpuls reagiert und sich bei glasklarem Feedback blitzschnell der jeweiligen Fahrsituation anzupassen vermag, ist ein Präzisionsinstrument erster Güte und damit sicher nichts für Grobmotoriker:innen. Alles in allem gibt sich die Neue fahrwerksseitig vor, am und nach dem Kurvenscheitel jedoch vorbildlich intuitiv und stellt so jede einzelne ihrer diesbezüglich recht anspruchsvollen Vorgängerinnen klar in den Schatten.
Power? Astral, aber umsetzbar
Der sich leicht progressiv aufbauende Knall des Sechzehnventilers ist schlicht famos! Bei Hühnerhaut erzeugendem V4-Röhren zieht mir die Panigale V4 S am Kurvenausgang erbarmungslos die Arme in die Länge, wobei sich die Mundwinkel nachhaltig zu den Ohrläppchen gesellen. Immer und immer wieder! Nein, das Phänomen Beschleunigung haben wir in dieser Ausprägung und Intensität bei einem Grossserien-Superbike noch nie erlebt. Schlicht brachial, diese Power – und eben doch nicht! Denn der rabiate Vortrieb lässt sich – Elektronik sei Dank – überraschend einfach kontrollieren. Tatsächlich gibt sich die ausgesprochen geschmeidig intervenierende und während der Fahrt justierbare Traktionskontrolle unverschämt effizient. Ebenso sind die Wheelie-Kontrolle und die neuen Helfer für Beschleunigungs- und Bremsdrifts ein echter Gewinn. Die Systeme geben Vertrauen, und Vertrauen macht bekanntlich schnell.
Willkommen in einer neuen Ducati-Ära
Wie sich die Panigale V4 S im hart umkämpften Superbike-Segment gegen die zähnefletschende Konkurrenz schlagen wird, muss ein entsprechender Vergleichstest zutage führen. In Sachen Power wird ihr aber sicher keine das Wasser reichen können. Bei Chassis und Fahrwerk kommt die V4 S einem Skalpell gleich, womit die Mitbewerber mindestens hart zu kämpfen haben werden. Und bei den elektronischen Assistenzsystemen gibt es absolut gar nichts, was schnelle Pilot:innen vermissen würden. Das sind doch einige Asse im Ärmel der Italiener.
Das hat uns gefallen:
- Brutal viel, gut kontrollierbare Power
- Effizienz der elektronischen Assistenzsysteme
- Mix aus Handlichkeit und Stabilität
- Einfach sehr schnell zu fahren
- Design und Sound
Das hat uns weniger gefallen:
- Schaltassistent unterbricht etwas zu lange
- Windschutzscheibe zu klein